Digitalisierung der Wohnungswirtschaft: Wer sind die natürlichen Anbieter übergeordneter digitaler Plattformen?

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Positionspapier von Karsten Nölling, CEO der KIWI.KI GmbH, das im Sommer 2021 veröffentlicht wurde. Das Papier kann unter diesem Link kostenlos heruntergeladen werden.

Offene, digitale Plattformen sind eines der wichtigsten technischen Merkmale des wachsenden digitalen Ökosystem der Immobilienbranche. Warum ist das so?

Technische und insbesondere digitale Lösungen für die Wohnungswirtschaft können nur dann ihre volle Wirkung ausspielen, wenn sie effizient in bestehende Systeme eingebunden werden können. Ansonsten gibt es einen technischen Flickenteppich, den die Immobilienbranche nicht effizient steuern kann. Ein digitales Schließsystem wie z. B. KIWI wird idealerweise mit einem bereits genutzten ERP-System gekoppelt und in Mieter-, Handwerker-Apps, etc. integriert, ansonsten muss sich die Verwaltung in jedes System einzeln einloggen – und die Datensätze einzeln pflegen. Gleiches gilt natürlich auch für alle weiteren digitalen Lösungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der Entstehung von übergeordneten digitalen Plattformen sind zwei Modelle denkbar: die Entstehung eines Plattform-Ownership-Modells und die Entstehung eines Plattform-Network-Modells.
  • Als Anbieter kommen drei Betreiber-Gruppen infrage: ERP-Anbieter, Anbieter führender Gewerke und US-Tech-Unternehmen.
  • Welches Plattform-Modell sich auch immer durchsetzen wird: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Wohnungsunternehmen API-Kompetenzen entwickeln.

So klar es ist, dass nicht jedes Gewerk eine Stand-alone-Lösung ohne Schnittstellen anbieten wird, so schwierig ist es, die Zukunft der offenen Plattformen vorherzusagen. Allein die Frage, wie und durch wen künstliche Intelligenz im Kontext digitaler Plattformen und der dort verfügbaren Daten zum Einsatz kommt, wird einen Einfluss auf die Art und Form der Plattformen haben.

Zukunft digitaler Plattformen: Zwei Entwicklungen denkbar

Grundsätzlich scheinen zwei Entwicklungen vorstellbar: Zum einen das Entstehen von wenigen, übergeordneten Plattformen, die von spezifischen Firmen kontrolliert werden, nennen wir es das „Plattform-Ownership-Modell“. Zum zweiten die Möglichkeit, dass es gar keine übergeordnete Instanz geben wird, sondern alles mit allem verbunden sein wird, das “Plattform-Network-Modell“. Beide Optionen stellen eine fundamentale Veränderung zum Status Quo dar, sowohl technologisch als auch im Wettbewerbsverständnis der meisten Unternehmen. Beide Entwicklungen setzen ein kollaboratives Miteinander voraus, insbesondere das Network-Modell, was für die meisten Unternehmen eine starke Veränderung Ihres Selbstverständnisses bedeutet. 

In diesem dynamischen Netz wird die Bedeutung von Produkten (und damit den Unternehmen) definiert von der Anzahl der Nutzer*innen, der Nutzungsfrequenz und der Anzahl der Verbindungen zu anderen Gewerken. Je mehr desto besser. Die Bedeutung von digitalem Zutritt wie z. B. von KIWI in einer solchen losen Anordnung wäre natürlicherweise sehr groß, da Zutritt täglich vielfach genutzt wird und zu allen relevanten Gewerken Überschneidungen hat.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Positionspapier “Einfacher Zutritt für eine Welt ohne Schlüssel” von Karsten Nölling. Das Papier wurde mittlerweile veröffentlicht und kann kostenlos heruntergeladen werden:

Positionspapier herunterladen.

Eine Positionierung in diesem Kontext ist wichtig für alle Stakeholder: 

Glaubt man an ein loses Netz aus stark miteinander verbundenen Produkten, also das Plattform-Network-Modell, muss man APIs (digitale Schnittstellen) und besonders das API-Management als strategische Kernkompetenz betrachten und stetig ausbauen.

Glaubt man stark an wenige übergeordnete Plattformen, also das Plattform-Ownership-Modell, in die man einmal integrieren muss, so kann man sich, vereinfacht gesagt, zurücklehnen und auf die Ankunft der Plattformen warten, bei denen man sich dann mit wenigen Schnittstellen in wenige Plattformen mehr oder weniger statisch verbindet. Die spannende Frage ist dann, wer diese übergeordnete(n) Plattform(en) betreibt. Für ein besseres Verständnis dafür hilft es, zuerst die Plattformen aus Sicht der Immobilieneigentümer bzw. -verwalter zu denken. Die Frage ist also, welche Möglichkeiten diese Eigentümer erwarten, um ihre Immobilien sicher, effizient und DSGVO-konform zu verwalten. Und wer diese Erwartung am besten erfüllen kann. Mit dieser Frage und dem Wissen um die geringe Softwarekompetenz der Immobilienbranche lassen sich die naheliegenden Anbieter für das Plattform-Ownership-Modell in drei Gruppen fassen: ERP-Anbieter, führende Gewerke und externe Anbieter.

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Drei Anbieter-Gruppen im Fokus für das Plattform-Ownership-Modell

Die ERP-Unternehmen sind die natürlichen Anbieter. Hier liegen bereits die wichtigen Stammdaten und alle relevanten Prozesse wie Ein- und Auszüge, Handwerkerbeauftragungen, etc. Die Softwarekompetenz ist vorhanden, auch technisch ist die Erweiterung naheliegend und wird bereits von vielen Anbietern aktiv vorangetrieben. Gleichzeitig bleibt die Frage nach der Agilität der führenden ERP-Anbieter der Immobilienbranche. Wie die Branche selber, waren und sind die großen Anbieter zumeist keine Innovationsführer im Vergleich zu anderen Branchen. 

Neben den größeren ERPs könnten hier auch PropTechs mit dem Anspruch, ein Betriebssystem für das digitale Gebäude zu entwickeln, eine Rolle spielen – oft an der Schnittstelle zum Smart Home. Wenn man sich den Grad der Vernetzung vor Augen führt, könnten auch Anbieter von Zutrittssystemen natürliche Mitspieler auf diesem Gebiet sein. Letztlich ermöglichen sie vielfältige Use Cases, kennen die Nutzer*innen des Objekts und müssen damit ohnehin einen großen Teil der Komplexität abbilden.

Die Anbieter führender Gewerke (besonders Messdienste, Aufzug- und Energie- sowie Telekommunikations-Unternehmen) verfügen über ein tiefes Verständnis der Branche, verstehen die Software und verfügen über die notwendigen Finanzmittel. Zusätzlich haben alle genannten Gewerke den Vorteil, bereits mit Infrastruktur, Konnektivität und häufig intelligenter Sensorik im Haus verankert zu sein, also neben der Plattform auch eine tiefere vertikale Integration bis zur Konnektivität für andere Gewerke zu ermöglichen. 

Die großen (US-)Tech-Firmen bilden die dritte Gruppe der natürlichen Anbieter. Sie sind schnell, haben sehr viel Knowhow und nahezu unbegrenztes Kapital. Zusätzlich sind sie schon mit Smart-Home-Produkten zunehmend im Gebäude vertreten. Der Zutritt zu Immobilien wird ohne Frage eines der Themen sein, die in den nächsten Jahren für die großen Technologieunternehmen stärker in den Fokus rücken, allein schon wegen des stetig wachsenden Online-Handels – für den die letzte Meile mit dem Zugang ins Objekt eine der letzten großen Hürden der Zustellkette ist.

Wer dabei sein will, muss Kompetenzen aufbauen

Egal wie die Zukunft am Ende wirklich aussieht: Klar ist, der Status Quo wird sich radikal verändern und digitale Plattformen werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Wer Teil dieses digitalen Ökosystems sein möchte, sollte alsbald damit beginnen, API-Kompetenzen aufzubauen. Nur so bleibt man wettbewerbsfähig und verschlankt zugleich bestehende und auch zukünftige Arbeitsprozesse.

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