Viele digitale Lösungen im Gebäude und nur ein einziges Gateway – das ist das Ideal, doch die Praxis sieht anders aus. Die Flure und Keller der Immobilien füllen sich zusehends mit elektronischen Geräten und Kabelsträngen. Die Lösung sind technische Standards, auf die sich PropTech-Branche und Wohnungswirtschaft einigen müssen. Ein Konsens ist vonnöten – dem wohl allerdings ein deutlicher Impuls der Wohnungswirtschaft vorausgehen muss.
Das Wichtigste in Kürze
- Aus technischer Sicht ist es kein Problem, dass ein Gateway die Arbeit für mehrere digitale Anwendungen übernimmt – auch wenn dazu natürlich eine gemeinsame Entwicklung notwendig ist.
- Wohnungswirtschaft und PropTech-Unternehmen können sich bisher nicht auf einheitliche Standards einigen, die das ermöglichen – bzw. bisher hat einfach kein Unternehmen eine ausreichende Initiative ergriffen.
- Zunehmend bewegen sich große Infrastrukturanbieter (besonders Telekommunikationsanbieter), die in diese Lücke stoßen.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Positionspapier von KIWI-CEO Karsten Nölling. Das Positionspapier kann unter folgendem Link kostenfrei heruntergeladen werden:
[cta-positionspapier]Die Konnektivität ist die Grundausstattung für das digitale Quartier, sonst funktioniert es nicht. Dabei dient das Gateway letztlich „nur“ der Verbindung des Sensors mit den Servern, also der Cloud. Wichtig ist hier eine sichere Datenübertragung. Wie beim Sensor gilt auch für das Gateway, dass die verschiedenen Use Cases jeweils eigene Anforderungen an Hard- und Software stellen. Das gilt bereits innerhalb eines Gewerks, erst recht jedoch zwischen verschiedenen Gewerken.
Schauen wir uns das Gateway am Beispiel des digitalen Zutritts an: Wenn das System ausschließlich Öffnungen mit dem Smartphone an der Tür ermöglichen soll, kann sogar komplett auf das Gateway verzichtet werden, da das Smartphone als Gateway fungieren kann. Dieser Use Case ist für Mehrfamilienhäuser in nahezu allen Fällen allerdings nicht ausreichend, entsprechend benötigt ein sinnvolles digitales Zutrittssystem für Mehrfamilienhäuser ein Gateway.
Dann stellt sich als ein Beispiel die Frage, welche Latenz der Datenübertragung akzeptabel ist, was gerade bei der Möglichkeit der Fernöffnung im Bereich von Millisekunden liegt. Damit ist die Latenz – neben weiteren Kriterien – ein wichtiges Merkmal für Gateways im digitalen Quartier. Für andere Gewerke sieht es anders aus: Für Messdienste reicht z. B. eine sehr viel höhere Latenz und seltene Datenübertragung. Entsprechend reichen hier batteriebetriebene Gateways.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Gateways ist der genutzte Funkstandard. Auch hier ist der Use Case entscheidend. Zahlreiche Optionen stehen zur Verfügung: vom Mobilfunk über LAN/WLAN, PoE, UWB, NBIoT oder Lora ist die Auswahl groß.
Feld wie geschaffen für große Infrastrukturanbieter
Trotz der verschiedenen technischen Standards und Anforderungen bleibt ein Gateway letztlich ein „dummer“ Datenübermittler und es ist wenig überzeugend, hier pro Haus viele verschiedenen Gateways zu installieren. Entsprechend ist dies ein Feld wie geschaffen für große Infrastrukturanbieter – besonders große Telekommunikationsanbieter, die prädestiniert dafür sind. „So wie seit Jahrzehnten mit der Netzebene 4 kabelgebundene Konnektivität im Haus selbstverständlich ist, so muss auch die funkbasierte sowie anbieter- bzw. anwendungsübergreifende Netzebene 4 für IoT-Geräte im digitalen Gebäude der Zukunft selbstverständlich sein“, weist Dr. Sebastian Groß, der Leiter Digitales Gebäudemanagement bei Vodafone, auf die Notwendigkeit von Standards hin.
Alternativ kann auch die Wohnungswirtschaft selber an dieser Stelle eine kontrollierende Rolle übernehmen und auf Basis ausgewählter Funkstandards ein Standard-Gateway entwickeln (lassen), bei dem auch die Funkausleuchtung des digitalen Gebäudes mitgedacht wird. Das hat neben dem Vorteil der Kostenreduktion aufgrund weniger Gateways auch den großen Vorteil für Wohnungsunternehmen, dass sie einen hohen Grad der Kontrolle über das digitale Gebäude – und deren Geschäftsmodelle – halten.
[download-positionspapier]Software-Kompetenzen in der Wohnungswirtschaft vonnöten
Unternehmen der Immobilienwirtschaft sollten im besten Fall selbst ein standardisiertes Gateway entwickeln und offene Schnittstellen von jedem Anbieter fordern. Ansonsten dürfte es in den Fluren der Immobilien noch voller werden als es ohnehin schon ist. Die Zahl der im Einsatz befindlichen digitalen Anwendungen wird in den kommenden Jahren schließlich weiter zunehmen. Die Immobilienunternehmen benötigen also dringend eigene Software-Kompetenzen, um mithilfe von Verbänden und Digitalisierungs-Initiativen eben jene Standards fordern zu können, die gebraucht werden. Ansonsten wird es in Fluren und Kellern künftig noch voller – und das ist sicherlich nicht das, was sich PropTech- und Wohnungsunternehmen wünschen.
Der Experte für Wohnungswirtschaft Karsten Nölling ist seit September 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung der KIWI.KI GmbH. Bereits seit Ende 2014 war er als Vertriebsleiter bei KIWI tätig und Mitglied des Executive Committees. Vor KIWI entwickelte er als Firmengründer einen digitalen Concierge Service für Hotels und war als Head of Operations für das Startup 9flats verantwortlich. Davor war Karsten Nölling Unternehmensberater bei McKinsey & Company und Projektleiter für Lean Manufacturing bei Mercedes-Benz. Sie finden ihn auf Twitter und LinkedIn.