Die Wohnungswirtschaft steckt auch beim Vermietungsprozess mitten im digitalen Wandel. Erstellung eines digitalen Angebots für das Internet, Vereinbarung und Durchführung von Besichtigungsterminen, Vertragsunterschrift – Die Umstellung auf digitale Prozesse bietet Chancen auf vielen Ebenen für Vermieter und auch Mieter.
Das Wichtigste in Kürze
- Für jeden Teil des Vermietungsprozesses gibt es mittlerweile markterprobte digitale Lösungen.
- In Summe sparen die digitalen Lösungen nicht nur Zeit, sondern auch Geld.
- Gerade durch die Zeitersparnis bieten Wohnungsunternehmen ihren neuen Mietern mit digitalen Angeboten ein Plus an Komfort und stellen sich zugleich optimal auf für künftige Herausforderungen.
Digitale Services wie z. B. Mieter-Apps oder auch digitale Schließanlagen haben längst Einzug gehalten in der Wohnungswirtschaft. Die Buchung der “richtigen” Services vorausgesetzt, kann auch der Vermietungsprozess mittlerweile komplett digital abgebildet werden, von der Angebotseinstellung bis hin zum Vertragsabschluss, inklusive der Übergabe der Zutrittsrechte.
Die einzelnen Schritte des digitalen Vermietungsprozesses
Halb-automatisierte Veröffentlichung von Online-Vermietungsangeboten
Neben den überregional bekannten und reichweitenstarken Vermietungsportalen gibt es regionale Anbieter – sowohl spezialisierte Portale als auch regionale Tages- und Anzeigenzeitungen – in denen sich die Schaltung von Vermietungsangeboten für die Wohnungsunternehmen lohnen. Jedes dieser Portale einzeln zu bedienen, ist ein beachtlicher Aufwand und bringt zwangsläufig eine mehrfache Datenpflege mit sich.
Auf die Einstellung einer einzigen Anzeige in mehrere Online-Publikationen gleichzeitig haben sich mittlerweile Online-Portale spezialisiert, die die Distribution übernehmen – und zwar automatisiert nach Einstellung der Annonce. Erstellt wird im Portal die Anzeige lediglich einmal, auf Knopfdruck wird diese Anzeige dann in all jenen Online-Publikationen veröffentlicht, die vorher ausgewählt wurden. Einige dieser Portale haben sich auf die Online-Ausgaben von Tages- und Anzeigenzeitungen bestimmter Regionen spezialisiert und verteilen somit noch passgenauer.
Kontaktaufnahme und Informationsweitergabe per Videotelefonie
Das Telefon gibt es im Alltag von Vermietern nach wie vor, der persönliche Erstkontakt z. B. im Verwalterbüro wird hingegen immer seltener. Stark zugenommen hat hingegen die Beratung und Informationsweitergabe über Videotelefonie. Vermieter ermöglichen Interessierten somit ein Erstgespräch am Computer, am Smartphone oder Tablet-PC, ganz so, wie es viele Berufstätige aus ihrem beruflichen Umfeld mittlerweile gewohnt sind.
Werden keine sicherheitsrelevanten Daten ausgetauscht, ist für den Erstkontakt per Videotelefonie ein handelsübliches Tool wie z. B. Zoom, Microsoft Teams, Skype oder auch Google Meet ausreichend. Diese Tools sind im Basis-Paket häufig kostenlos nutzbar.
Vereinbarung und Durchführung von Wohnungsbesichtigungen
Die klassische Schlüsselübergabe muss organisiert werden und kostet für zumindest einer der beiden Seiten Zeit, entweder den Vermieter, der den Schlüssel vorbeibringt, oder den Interessenten, der den Schlüssel holt. Hinzu kommt die Dokumentation: Wer hat für welches Objekt welchen Schlüssel erhalten? Einen Extra-Aufwand gibt es, wenn der Schlüssel nicht wie vereinbart zurückgegeben wurde.
Bei digitalen Schließanlagen wie z. B. KIWI können Zutrittsrechte aus der Ferne vergeben werden, z. B. vom Schreibtisch des Verwalters aus. Ein persönliches Treffen ist also auch bei diesem Prozessschritt nicht notwendig. Der Interessent lädt sich die kostenlose Zutritts-App aus dem Google Play Store oder dem Apple Store herunter (bei KIWI ist das die KIWI App) und wird vom Vermieter freigeschaltet. Der Interessent kann nun alle Türen der Immobilie entriegeln, die er für die Besichtigung entriegeln muss, von der Hauseingangstür über eventuelle Türen von Wirtschaftsräumen bis hin zur Wohnungstür. Nach Abschluss der Besichtigung wird das Zutrittsrecht entweder vom Verwalter entzogen oder erlischt automatisch.
Soll das Zutrittsrecht automatisch erlöschen, wird das Zutrittsrecht vorab nur für ein bestimmtes Zeitfenster vergeben, z. B. für Mittwoch von 9 bis 9.30 Uhr. So ist es auch möglich, zahlreiche Besichtigungen kontaktfrei an einem Tag durchzuführen. Nachfolgende Besucher können ihre Zutrittsrechte entsprechend zeitversetzt erhalten, z. B. von 9.30 bis 10 Uhr, usw.
Während der strengen Kontaktbeschränkungen zu Beginn der Coronapandemie konnten Immobilienunternehmen mit diesem Vorgehen weiterhin Besichtigungen durchführen und ihr Kerngeschäft aufrecht erhalten, während Unternehmen, die ein Schließsystem mit Metallschlüsseln nutzten, die Anzahl der Besichtigungstermine deutlich reduzieren oder gar streichen mussten.
Digitale Vertragsunterzeichnung
Für die digitale Unterzeichnung von Mietverträgen gibt es mittlerweile mehrere Anbieter wie z. B. Immomio oder auch Everreal. Die Hausverwaltung lädt hier den Mietvertrag z. B. im pdf-Format in das System und lässt den neuen Mieter den Vertrag über eine s. g. fortgeschrittene elektronische Signatur unterzeichnen. Die Unterzeichnung ist direkt im Tool möglich.
Neben dem schnellen und umstandslosen Ablauf, werden zugleich Druck- und Portokosten gespart. Das gilt auch für Mietverträge, die zwar digital, aber noch persönlich im Büro signiert werden sollen. Auch in diesem Fall fällt der Arbeitsaufwand deutlich geringer aus, da das Einscannen des Dokuments wegfällt.
Digitale Übergabe des Zutrittsrechts
Nach der Vertragsunterzeichnung geht ab Vertragsbeginn das Zutrittsrecht an den neuen Mieter über. Bei einem digitalen Schließsystem werden keine Metallschlüssel ausgehändigt und die Übergabe muss entsprechend nicht händisch dokumentiert werden.
Sämtliche Zutrittsrechte werden von der Verwaltung am Computer vergeben: Der neue Mieter erhält seine digitalen Zutrittsrechte umgehend und kann anschließend sämtliche Türen, zu denen er ein Zutrittsrecht besitzt, per Smartphone oder Transponder öffnen. Ein persönlicher Kontakt wie bei einer Schlüsselübergabe ist hinfällig. Sobald der Hausverwalter den neuen Mieter freigeschaltet hat, kann der Mieter sofort “seine” Türen öffnen.
Zudem kann der Mieter s. g. Gastzutrittsrechte für z. B. Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde am heimischen Computer, per Tablet-PC oder Smartphone selbst vergeben, ohne Rücksprache mit der Hausverwaltung halten zu müssen. Diese Gastrechte können bei Bedarf zeitlich begrenzt werden, zum Beispiel auf den Zeitraum dienstags zwischen 9 und 12 Uhr, wenn die Reinigungskraft immer in diesem Zeitfenster Zutritt zur Wohnung haben soll. Außerhalb dieses Zeitfensters lassen sich die Türen von der betreffenden Person nicht entriegeln.
Potentielle “Stolpersteine” beim digitalen Vermietungsprozess
Wie bei vielen digitalen Lösungen, die im Zuge eines Transformationsprozesses eingeführt werden, gilt es, jene Personen von den neuen Prozessen zu überzeugen, die sie durchführen sollen. Verwaltungsmitarbeiter arbeiten nicht selten seit vielen Jahren mit gleichen Prozessen. Dass ein Wechsel, der mitunter fundamental ausfallen kann, wirklich sinnvoll ist, muss z. T. erst noch verdeutlicht werden. Für einen echten Erkenntnisgewinn ist es oft hilfreich, wenn die Vorteile persönlich erlebt und regelrecht spürbar gemacht wurden.
Im Falle der Digitalisierung des Vermietungsprozesses kann dieses z. B. der Fall sein, wenn der Unterschied beim Schlüsselmanagement erlebt wird: Während die Schlüsselübergabe inklusive der Dokumentation bei einem System mit Metallschlüsseln mitunter eine Stunde oder gar noch mehr Zeit in Anspruch nehmen kann (je nach Distanz zwischen Verwaltungsbüro und Wohnobjekt), genügen bei einem digitalen System ein paar Klicks am Computer. Für eine Pilotphase entscheiden sich deswegen Wohnungsunternehmen mitunter für die Installation eines digitalen Schlüsselsafes, der einfach zu installieren ist und keinen Austausch von Schließzylindern o. Ä. mit sich bringt, zugleich aber die Mitarbeiter in der Praxis erleben lässt, wie einfach das Schlüsselmanagement mit einem digitalen System ausfällt.
Der Experte für Wohnungswirtschaft Karsten Nölling ist seit September 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung der KIWI.KI GmbH. Bereits seit Ende 2014 war er als Vertriebsleiter bei KIWI tätig und Mitglied des Executive Committees. Vor KIWI entwickelte er als Firmengründer einen digitalen Concierge Service für Hotels und war als Head of Operations für das Startup 9flats verantwortlich. Davor war Karsten Nölling Unternehmensberater bei McKinsey & Company und Projektleiter für Lean Manufacturing bei Mercedes-Benz. Sie finden ihn auf Twitter und LinkedIn.