Der Einsatz von Smart Home Geräten stellt Wohnungsunternehmen vor einige Herausforderungen. Jan Timmermann, Leiter Geschäftsentwicklung der Vonovia, berichtet von der Herangehensweise des größten deutschen Wohnungsunternehmens Vonovia. Ausgehend von der Smart Home Studie der SmartHome Initiative Deutschland und dem GdW sprach er einige Herausforderungen beim Einsatz von Smart Home Anwendungen in der Wohnungswirtschaft an. Wir freuen uns sehr, dass Jan Timmermann in diesem Interview über seine Erfahrungen spricht und ausführlich seine Sicht der Dinge erklärt.
1. Die jüngst veröffentlichte Smart Home Studie schlussfolgert, dass die Immobilienwirtschaft nicht offen für Smart Home ist. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Wohnungen mit integrierten Smart Home Geräten werden noch nicht konkret nachgefragt und sind daher im Wesentlichen kein Instrument zur Umsatz- oder Ertragssteigerung für Wohnungsunternehmen. Zudem ist auch der Effekt der (Energie-)Kostensenkung meiner Meinung nach nicht erheblich. Hinzu kommt, dass Produkte teilweise nicht untereinander kompatibel sind und somit die Zukunftssicherheit langfristiger Investitionen nicht gewährleistet werden kann. Datenschutzrechtliche und sicherheitstechnische Bedenken seitens der Mieter sind groß, wenn es sich bei den Smart Home Lösungen um Installationen durch den Vermieter handelt. Die Frage ist, warum überhaupt der Vermieter hier in die Rolle des Smart Home Anbieters kommen sollte. Die Geräte sind überwiegen nachrüstbar und per Funk vernetzbar. Grundsätzlich kann der Mieter somit selbst investieren und nach eigenen Vorlieben smarte Lösungen integrieren. Mittelfristig interessant für Vonovia ist vor allem altersgerechtes Wohnen mit Hilfe von Produkten für AAL (Ambient Assisted Living) umzusetzen. Hierbei können zum einen Kosten für das Personal gesenkt und zum andern der Wohnwert gesteigert werden.
2. Wo steht die Vonovia bei den Themen Digitalisierung und Smart Home. Wie gehen Sie mit Innovationen um?
Bei Vonovia gibt es eine eigene Abteilung für die Geschäftsentwicklung. Sie ist insbesondere fokussiert auf Energie und Innovationen, darunter fallen natürlich auch Digitalisierung und Smart Home Lösungen. Innovationen werden auf Ihre Skalierbarkeit in unserem Bestand und auf ihren Nutzen überprüft. Bei Kundennachfrage und nach gelungener Pilotierung können sie auf den Bestand ausgeweitet werden. Bisher sind wir vor allem aktiv bei den Themen AAL, also dem altersgerechten Wohnen, Smart Submetering (verbrauchsgerechte Verteilung der Kosten) und schlüsselloser Hauszugang. Außerdem betreiben wir systematisches Screening der PropTechs, um auf dem Laufenden zu sein und so relevante Innovationen zu entdecken. Sollte dies der Fall sein, unternehmen wir Testphasen ausbaufähiger Lösungen.
3. In Ihrem Kommentar zur Smart Home Studie der SmartHome Initiative Deutschland haben Sie die fehlende Interoperabilität vieler Lösungen bemängelt. Können Sie das etwas erläutern und Beispiele nennen?
Geräte unterschiedlicher Hersteller funktionieren teilweise nur mit der herstellereigenen Basisstation. Oft sind bei herstellerübergreifenden Basisstationen nicht alle Funktionen verfügbar, bzw. nicht sofort nach Veröffentlichung eingebunden. Daraus resultiert, dass Systeme aktuell teilweise Insellösungen mit unterschiedlichen Protokollen sind.
Hier lesen Sie mehr über die Interoperabilität von Smart Home Geräten.
4. Zudem schrieben Sie, dass die Update-Cyclen der Geräte nicht zu den heutigen Bewirtschaftungsmodellen passen. Können Sie auch hier erklären?
Die Zyklen in der Wohnungswirtschaft dauern um einiges länger, als es für eine Smart Home Lösung tragbar wäre. In der klassischen Bewirtschaftung haben wir Zyklen von ca. 25 Jahren. Wenn wir einen Wasserhahn reparieren, erwarten wir einen störungsfreien Betrieb über diese Zeit. Bei Smart Home Geräten stehen neben Batteriewechseln auch Firmwareupdates und Ähnliches an. Zudem ist die Verfügbarkeit der Geräte und Anbieter meist noch nicht mal für einen Fünfjahreszeitraum gesichert. Somit stehen Investitions- und Innovationszyklen von Smart Home Geräten und „Gebäuden“ in einem Missverhältnis.
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[cta-ebook]5. Laut Studie sehen 85% der Wohnungsunternehmen die Kundenbindung als Hauptgrund für die Investition in Smart Home Geräte. Welche Ziele verfolgt die Vonovia?
Wir möchten und müssen gesellschaftlich das „längere Wohnen zu Hause“ ermöglichen. Ambient Assisted Living, zu Deutsch also altersgerechte Assistenzsysteme, bietet älteren Menschen Lösungen für ein angenehmes und unabhängiges Wohnen. Besonders in diesem Feld ist neben dem Servicegedanken natürlich auch Kundenbindung ein großes Thema, insbesondere vor dem Hintergrund der Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Hier ist die Sicherung und Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Wohnung und Unterstützungsinfrastruktur von besonderer Bedeutung. Dabei richtet sich unser Angebot an ältere Menschen, Menschen mit Pflegebedarf sowie deren Angehörige. Ziel soll eine Angebotsstruktur sein, die älteren Menschen in jeder Lebensphase ein echtes Wahlrecht ermöglicht, wo, wie und mit wem sie leben möchten. Die Ermöglichung eines Lebens in der bisher vertrauten Umgebung ist hierfür zentrale Voraussetzung.
6. Sie pilotieren auch bereits das schlüssellose Türzugangssystem KIWI. Aus welchen Gründen haben Sie sich für KIWI entschieden?
Vonovia ist grundsätzlich dafür bereit, etwas Neues auszuprobieren. Außerdem konnten wir nur im Feldtest die echten Mieterreaktionen erfahren. Der erwähnte Servicegedanke spielt bei KIWI eine große Rolle: durch die handsfree-Methode gewährleisten wir unseren Mietern ein Komfort-Plus. Zudem profitieren nicht nur die Mieter allein von KIWI, da wir so im Zuge der Digitalisierung unser Schlüssel- und Dienstleistungsmanagement optimieren können.
7. Sind die Bewohner für diese Zukunftsthemen bereit und empfänglich? Wie ist das Feedback zu KIWI?
Unsere Bewohner sind grundsätzlich für Zukunftsthemen offen, wenn der persönliche Gewinn die für sie durch Modernisierung entstehende Belastung übersteigt. Zu KIWI ist das Feedback bisher positiv, insbesondere auch von älteren oder körperlich eingeschränkten Mietern, da sich der Komfort für sie deutlich gesteigert hat.
In diesem Beitrag informieren Sie sich zum Thema Smart Home für die Wohnungswirtschaft: Smart Home – der umfassende Überblick für die Wohnungswirtschaft
Julia Rubin verantwortet Marketing und Kommunikation bei KIWI. In der Immobilienwelt ist sie durch ihre vorherige Tätigkeit bei BSR Tochter Berlin Recycling schon lange zuhause. Sie kennt die besten Veranstaltungen und spannendsten Artikel zum Thema PropTech, Smart Home und Digitalisierung und berichtet über interne KIWI News.
Es ist sehr interessant einmal die Stimme eines der größten Anbieter für Wohnungen und ergo auch Abnehmer für Smart Home Lösungen zu hören.
Sehr coole Idee, vielen Dank.