Das bedeutet ESG im Kontext der Wohnungswirtschaft

Nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften ist in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft spätestens seit dem Inkrafttreten der ESG-Verordnung in diesem Frühjahr in aller Munde. Kein Wunder: Immobilien haben weltweit einen großen Anteil an den Treibhausgasen – geschätzt wohl mehr als 30 Prozent. Entsprechend umfassend sind die Auflagen für die Immobilien- und Wohnungswirtschaft, sowohl für den Bestand als auch den Neubau.

ESG-Kriterien Wohnungswirtschaft

Das Wichtigste in Kürze

  • ESG-Kriterien für die Wohnungswirtschaft betreffen sowohl den Bestand als auch den Neubau.
  • Für die Wohnungswirtschaft sind die ESG-Kriterien zum Teil noch nicht abschließend ausformuliert, was problematisch wird, wenn Unternehmen künftig die Einhaltung der Vorgaben offenlegen und eine Missachtung begründen müssen.
  • Digitale Anwendungen unterstützen Wohnungsunternehmen besonders im Umwelt-Segment.

Darum geht es bei den ESG-Kriterien

Mit dem Ziel, Europa bis 2050 als ersten Kontinent klimaneutral zu gestalten, hat sich die EU eine klare Vorgabe gesetzt. Um dieses Ziel zu erreichen, soll – quasi als Zwischenschritt – bis 2030 die Entwicklung von Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 Prozent gesenkt werden. Und hier soll laut der ESG-Verordnung die Immobilien- und Wohnungswirtschaft einen spür- und messbaren Beitrag leisten. 

Bei der ESG-Verordnung geht es grundsätzlich um nachhaltiges Handeln und zwar in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (im Englischen: Environment, Social, Governance = ESG). Wie nachhaltiges Handeln in der Praxis aussieht, unterscheidet sich von Branche zu Branche. Für die Wohnungswirtschaft kann die Verordnung eine echte Herausforderung werden – je nach Entwicklungsstand der einzelnen Unternehmen und ihrer Immobilien.

Wie sehen ESG-Faktoren für die Wohnungswirtschaft aus?

Das “E” in ESG: Environment

  • Nutzung von ressourcenschonenden Baumaterialien (Stichwort Recycling)
  • Reduzierung des Energieverbrauchs auf ein Minimum (Stichworte CO2-Emission, Optimierung von Energieverbräuchen, Dämmung der Immobilien)
  • Vermeidung von Umweltverschmutzung und -gefährdung (Stichworte Reduzierung des Verkehrsaufkommens rund um die Wohnquartiere, also Entsorgungsfahrten oder auch s. g. Schlüsselfahrten)
  • etc.

Das “S” in ESG: Social

  • Schaffung von Wohnräumen, die ein sozialkompatibles Miteinander unterschiedlicher Personengruppen ermöglichen (Stichwort soziale und kulturelle Einrichtungen)
  • Planung und Umsetzung von Konzepten für ein selbstbestimmtes Leben von älteren sowie von gesundheitlich eingeschränkten Personen (Stichwort Ambient Assisted Living – AAL)
  • Fairer Umgang mit z. B. Herstellerfirmen und Lieferanten
  • etc.

Das “G” in ESG: Governance

  • Schaffung von Transparenz (Stichworte digitale Abrechnung der Verbrauchswerte einhergehend mit optimierter Verbrauchssteuerung für/durch Bewohner; Transparenz bzgl. Zusammenarbeit mit anderen Firmen/Services)
  • Zusammenarbeit mit Partnern, die sich den ESG-Richtlinien ebenfalls verpflichtet haben und entsprechend handeln
  • etc.

Während der Umweltbereich (Environment) in der ESG-Verordnung grundsätzlich recht klar definiert ist, wird erwartet, dass die Bereiche soziale Verantwortung (Social) und Unternehmensführung (Governance) in den nächsten Monaten noch “nachgeschärft”, also präziser gestaltet werden. Bis es soweit ist, wird übergangsweise mit zum Teil bestehenden nationalen Standards und Verordnungen gearbeitet, zum Beispiel den Daten der Energieausweise. Die Präzisierung der Bereiche wird wichtig werden, da vorgesehen ist, dass Unternehmen die Einhaltung der Vorgaben offenlegen und eine Missachtung begründen müssen. 

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Maßnahmen für Neubau und Bestand

Die Anforderungen der ESG-Verordnung haben Auswirkungen sowohl für den Bestand als auch den Neubau. Seit diesem Jahr muss zum Beispiel der primäre Energiebedarf von Neubauten zehn Prozent unter den Anforderungen für Niedrigstenergiegebäude (Gebäude mit sehr geringem Energiebedarf) liegen. Hier wurde auf Drängen der Immobilienwirtschaft bereits „entschärft“: Zuvor lag die Grenze bei 20 Prozent. Häufig muss zudem eine s. g. Luftdichtheitsprüfung durchgeführt werden, um Energieverlust durch undichte Stellen zu vermeiden. Gebäude mit einer Gesamtfläche von mehr als 5.000 Quadratmetern je Nutzeinheit müssen zugleich auf potentiellen Wärmeverlust überprüft werden. Diese und weitere energetische Maßnahmen gelten auch für Renovierungs- und Sanierungsarbeiten im Sinne der ESG-Kriterien.

Darum spielt die Digitalisierung für die Erfüllung von ESG-Kriterien eine Rolle

Die allgemeine Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung ist der zentrale Aspekt der Umwelt-Kategorie der ESG-Verordnung. Für die Senkung von Verbräuchen gibt es mehrere digitale Lösungen, die oft bereits seit vielen Jahren markterprobt sind. Dabei geht es sowohl um Anwendungen, die von Immobilienbetreibern bzw. deren Verwaltungen genutzt werden, als auch um Anwendungen für Endverbraucher, also Bewohner. Die Heizungssteuerung ist ein gutes Beispiel.

Das digitale Ablesen und das Steuern von Heizungsanlagen ermöglicht Immobilienbetreibern, die Daten effektiv zu erfassen. Anhand der Verbräuche ist es möglich, die Anlage zu überwachen, zu optimieren und bei Bedarf steuernd einzugreifen. Die Verbräuche bewegen sich somit stets im Bereich des Optimums und liegen signifikant unter den Werten von Anlagen ohne Sensorik. Die datengestützt Überwachung der Anlage ermöglicht es zudem, Störungen der Anlage bereits im Vorfeld zu erkennen und einen Ausfall zu verhindern. Einsätze vor Ort – und die damit verbundenen An- und Abfahren – werden reduziert und zugleich effektiver gestaltet, wenn der Installateur bereits vorab weiß, wie die Störung im Detail aussieht und ob womöglich Ersatzteile benötigt werden.

Sensorgestützte Anlagen ermöglichen es zudem, den Mietern die Verbrauchsdaten ihrer eigenen Mieteinheiten zur Verfügung zu stellen. Jeder Verbraucher erfährt also, an welcher Stelle seiner Wohnung er wieviel verbraucht hat und kann somit Einsparpotential ausmachen. In diesem Bereich werden besonders von den großen Messdienstleistern in den nächsten Monaten und Jahren technische Lösungen erwartet. Markterprobte Anwendungen gibt es bereits aus der PropTech-Szene, zum Beispiel von metr.

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KIWI im Kontext der ESG-Kriterien

Neben den Verbräuchen rund um die Immobilie spielt der Straßenverkehr in den Wohnquartieren eine Rolle – und hier können auch digitale Schließanlagen für Entlastung sorgen, zumindest indirekt. 

Die Anlagen können aus der Ferne gesteuert werden, so dass zahlreiche Vor-Ort-Termine hinfällig werden. Die s. g. Schlüsselfahrten entfallen. Benötigt beispielsweise ein Heizungsmonteur kurzfristig Zugang zur Immobilie, muss er sich nicht vorab die Schlüssel für den Hauseingang sowie den Heizungskeller persönlich bei der Hausverwaltung abholen – die Rückgabe entfällt entsprechend ebenfalls. 

Schlüsselfahrten entfallen z. B. auch bei Ein- und Auszug von Mietern: Die Zutrittsrechte werden digital vergeben, neue Mieter lassen sich ihren Transponder, den sie z. B. vorab per Post erhalten haben, oder ihre Smartphone-App von der Verwaltung freischalten; die Devices von ausgezogenen Mietern werden per Knopfdruck am Computer durch die Verwaltung aus dem System ausgeloggt und können somit nicht mehr zum Entriegeln von Türen genutzt werden.

Ein spürbar geringeres Verkehrsaufkommen in den Quartieren gibt es zugleich, wenn Entsorger oder auch Logistikunternehmen mithilfe von digitalen Schließanlagen ihre täglichen Touren flexibler gestalten können. Während bei Anlagen mit Metallschlüsseln ein kurzfristiges Umleiten von Fahrzeugen nicht möglich ist, sollte zum Beispiel das Abfallaufkommen anders ausfallen als vormals angenommen, ist dieses bei digitalen Schließanlagen möglich. Die Transponder der Mitarbeiter in den Entsorgungsfahrzeugen können von der Einsatzleitung ohne Zeitverzögerung per Knopfdruck am Computer für Tore und Hinterhoftüren einer ursprünglichen anderen Strecke freigeschaltet werden. Die Fahrzeugflotte kann somit effektiv eingesetzt werden – unnötige Wege sind hinfällig, das Verkehrsaufkommen in und um die Quartiere fällt langfristig signifikant geringer aus, gerade in Ballungszentren.

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