Digitale Lösungen für die Wohnungs­wirtschaft – 10 Fragen an Jörn Beckmann von Datatrain

Die Wohnungswirtschaft ist auf dem Sprung ins digitale Zeitalter, nicht zuletzt dank innovativen Unternehmen wie dem Beratungs- und Softwareentwicklungshaus Datatrain. Die Berliner erweitern für ihre Kunden bestehende ERP-Lösungen und entwickeln zugleich SAP-basierte Anwendungen für die Mieterbetreuung und das Objektmanagement.

Datatrain-Geschäftsführer Jörn Beckmann befasst sich mit dem Thema Digitalisierung bereits seit über 20 Jahren. Als Leiter des Entwicklerteams liegt ihm das Thema besonders am Herzen. Im Interview mit KIWI erklärt er, was die Wohnungswirtschaft beim Thema Digitalisierung noch lernen muss, welche Rolle künftig Mieter-Apps spielen werden und warum sich die Wohnungswirtschaft mit digitalen Plattformen derzeit noch schwer tut.


Herr Beckmann, wer sind Sie und was machen Sie beruflich?

Wer ich bin, ist mir zunehmend ein Rätsel – einfacher fällt es mir, den zweiten Teil der Frage zu beantworten. Ich habe die Firma Datatrain vor 20 Jahren gegründet und leite unser Entwicklerteam. Neben meiner Leidenschaft für strategische Produktentwicklung kann ich die Finger einfach nicht von konkreter Projektarbeit lassen – das gibt vielleicht doch einen winzigen Einblick zur Frage, wer ich bin.

Was genau ist Datatrain und welches Problem löst Datatrain für die Wohnungswirtschaft?

Auf unserer Website steht dazu: “Datatrain erbringt Beratungsleistungen, entwickelt und betreibt Software, um Prozesse in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft und im Facility Management zu optimieren und Services (auch Software as a Service – SaaS) bereitzustellen.”

Die Flughöhe dieser Aussage ist relativ hoch – konkreter möchte ich uns als Digitalisierungspartner der Wohnungs­wirtschaft charakterisieren, der die ERP-Welten unserer Kunden für Innovationen öffnet. Wir üben uns in dem Spagat zwischen der Bewahrung hochinvestiver ERP-Systeme und deren Erweiterung durch moderne Softwareprodukte über digitale Plattformen. Dabei verfügen wir mit unseren Cockpitlösungen für Mieter, Geschäftspartner und Mitarbeiter selbst über ein Portfolio innovativer digitaler Produkte für unsere Kunden.

Auf der anderen Seite erkennen wir ganz klar, dass der Markt eine Fülle attraktiver PropTech-Produkte anbietet, die in der Branche eine wachsende Aufmerksamkeit erzeugen. Wir sehen den Bedarf nach Integrationsplattformen, die beide Welten harmonisch und sicher zusammenbringen.

Auf diesen Feldern sind wir aktiv.

Wie beschreiben Sie den Status der Digitalisierung in der Immobilienbranche?

Vor einigen Jahren gab es für die Aussage unserer Dauerkanzlerin “Das Internet ist für uns alle Neuland” viel Häme. Dabei hatte – und hat sie aus meiner Sicht weiterhin – Recht. Ich erinnere daran, weil es zur Debatte um die Digitalisierung Parallelen gibt.

Einerseits wird die Digitalisierung im weitesten Sinne schon seit Jahrzehnten betrieben und gerade wir IT-Leute meinen uns mit dem Thema gut auszukennen. Andererseits wird durch die zweifellos deutlich höhere Geschwindigkeit und das Aufkommen immer neuer Akteure eine permanente Umbewertung notwendig und wir stehen neuerlich immer wieder ganz am Anfang.


Innovative Bauweisen für die Wohnungswirtschaft. KIWI informiert über das spannende Thema “Modulares Bauen”. Erfahren Sie hier mehr: Modulares Bauen in der Wohnungswirtschaft – Interview mit Rudolf Krehan von der Max Bögl Modul AG


Was sind Ihre größten Learnings zur Digitalisierung der Wohnungswirtschaft bisher?

Die Firma Datatrain gibt es bereits seit 20 Jahren – wir haben unsere Lösungen viele Jahre in mehr oder weniger abgeschottete ERP-Systeme eingebaut. Diese Phase geht zu Ende – immer mehr Unternehmen sehen das und öffnen sich für Frischluftzufuhr. Das war eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre. Deshalb haben wir schon vor langer Zeit diesen Trend aufgegriffen und stabile Brücken gebaut, um Beides zusammenbringen zu können.

Wir sehen zudem einen wachsenden Bedarf nach hochspezialisierten Frontend-Produkten zur Unterstützung wohnungswirtschaftlicher Geschäftsprozesse. Auf einigen dieser Felder sind wir sehr aktiv – auf anderen sehen wir ausgezeichnete Lösungen auf dem Markt und engagieren uns eher bei deren Integration in Kundensysteme.

Beispiele für eigene Frontendlösungen sind die mobile Wohnungsabnahme, Cockpitlösungen für externe Dienstleister oder auch die Mieter-App – Beispiele für Integration sind Vermarktungslösungen wie Immosolve oder Wohnungshelden oder eben auch KIWI. Dahinter steht die wichtige Erkenntnis, dass die PropTech-Branche nicht der böse Feind ist, der unsere Geschäftsbasis “disruptiert”, sondern – ich erlaube mir hier einmal diesen Ausdruck – durch Umarmung zum Freund werden kann.

Mieter-Apps sind bei der Digitalisierung der Branche sehr gefragt. Die einzelnen Lösungen unterscheiden sich jedoch stark. Welche Rolle nimmt Datatrain hier ein und welche Rolle werden Mieter-Apps zukünftig spielen?

Unsere Stärken basieren auf zwei Säulen.

Zum einen kennen wir die ERP-geführten wohnungswirtschaftlichen Prozesse. Wir glauben, dass eine Mieter-App a priori dem Vermieter nützen soll – sie soll ihm helfen, seine Prozesse zu digitalisieren. Um dies in einer Mieter-App optimal zu unterstützen, sind aus unserer Sicht diese Kompetenzen unabdingbar.

Zum anderen sehen wir gerade für Mieter-Apps die Notwendigkeit einer Plattformlösung. Völlig klar ist uns, dass niemand allein alle Kompetenzen für werthaltige Funktionalitäten innerhalb von Mieter-Apps einbringen kann – es braucht eine Plattform und natürlich auch eine Plattformarchitektur. Wir nutzen die SAP Cloud Platform – damit ist eine echte Plattform gegeben. Außerdem basiert die Architektur unserer Mieter-App auf Micro-Apps.

Wir erleben derzeit eine stark zunehmende Aufmerksamkeit für Mieter-Apps – dieser Umstand zahlt natürlicherweise in eine wachsende Bedeutung dieser Anwendungen ein. Parallel dazu werden andere Technologien wie z. B. Messengerbots an Bedeutung gewinnen. Die Meinungen gehen in der Branche auseinander, wer hier das Rennen machen wird – ich persönlich prophezeie den Mieter-Apps eine große Zukunft.

Digitale Plattformen scheinen in der Branche immer wichtiger zu werden. Was verstehen Sie unter digitalen Plattformen?

Digitale Plattformen sind in aller Munde – der Begriff wird somit auch interessensgesteuert vereinnahmt. Das nimmt teilweise absurde Züge an. Es gibt große IT-Unternehmen, die ihre Produkte auf eigenen digitalen Marktplätzen anbieten – auf denen allerdings nur ihre eigenen Marktstände aufgebaut werden dürfen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Kunden diesem Betrug auf die Schliche kommen. Eine der wichtigsten Eigenschaften digitaler Plattformen ist doch ihre Offenheit. Wenn ein im Wettbewerb stehender Anbieter die Plattform stellt, sollten bei den Kunden schon mal die Alarmglocken schrillen.

Ein Ausweg aus der Misere ist es, dass Kunden sich eigene Instanzen digitaler Plattformen zulegen – das ist heutzutage ein Kinderspiel. Für Kunden, die SAP ERP für ihre Kerngeschäftsprozesse nutzen, empfiehlt sich hier die SAP Cloud Platform.

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Immer mehr Dienstleister der Wohnungswirtschaft erweitern ihre Produkte um digitale Plattformen, auf denen verschiedene Anwendungen kombiniert werden. Wie sehen Sie Datatrains Rolle im Kontext der digitalen Plattformen? Welche Pläne hat Datatrain?

Ich sehe es kritisch, wenn ein Content-Anbieter der Wohnungswirtschaft eine eigene digitale Plattform als trojanisches Pferd einschleust. In der Staatstheorie sprechen wir von Gewaltenteilung – das ist eine sehr gute Idee der Balance. Ich hoffe im Sinne unserer Kunden sehr, dass sie den Lock-In-Effekt erkennen und sie Gefahr laufen, vom “Regen in die Traufe” zu kommen.

Wir bemühen uns, diese Erkenntnis an unsere Kunden weiterzugeben und empfehlen eigene Plattforminstanzen über die sie autonome Entscheidungsbefugnisse haben. Somit können sie auch steuern, wem Zugang gewährt werden soll und wem nicht.

Außerdem steuern wir eigene marktplatzfähige Produkte bei – das ist und bleibt unser Kerngeschäft.

Digitale Plattformen funktionieren nur über offene API-Schnittstellen. Welchen Weg hat die Branche hier noch vor sich, sowohl vom Mindset als auch von der Technik? Worin sehen Sie die größten Hürden?

Viele Wohnungsunternehmen haben in ihre ERP-Systeme immenses Kapital investiert und sind außerdem vertraglich und mental an einen ERP-Partner gebunden. Aus dieser doppelten Falle gilt es sich zu befreien – aber eben ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die Branche sollte mehr Druck auf die ERP-Partner ausüben, dass die Hürden für eine Integration Dritter sinken.

Die Technologien für offene und stabile API-Schnittstellen sind längst da – es gibt auch dafür professionelle Services auf digitalen Plattformen. Wir bieten für diese Zwecke den Datatrain API-Hub an, der auf der Basis des API Management Service aus der SAP Cloud Platform eine sehr einfache Brücke in ERP-Systeme ermöglicht.

Welche Rolle spielen Datenschutz und Sicherheit für Datatrain?

Selbstverständlich nehmen wir dieses Thema sehr ernst – eine erschöpfende Antwort würde den Rahmen dieses Interviews allerdings sprengen. Ich möchte mich deshalb auf ein Beispiel beschränken.

Vor dem Hintergrund der Öffnung von Wohnungsunternehmen aus relativ abgeschotteten ERP-Welten für PropTech-Produkte erhält Sicherheit & Datenschutz eine zusätzliche Brisanz. Nicht selten benötigen diese Produkte personenbezogene Daten von Mietern. Durch jedes Replikat erhöht sich aber das Sicherheitsrisiko.

Wir schlagen hier einen anderen Weg vor. Es sollte einen “Single Source of Truth”-Datentresor als Provider für diese sensiblen Daten geben – der im Allgemeinen durch die ERP-Systeme bereits gegeben ist. Wer personenbezogene Daten benötigt, greift über starke Authentifizierungsmechanismen per API-Call transient auf die Daten zu. Außerhalb dieses unternehmenseigenen Datentresors werden keine personenbezogenen Daten persistiert. Das ist keine graue Theorie – wir haben dieses Prinzip bereits in verschiedenen Kundenprojekten erfolgreich angewandt.

An welche Anwendungsfälle denken Sie bei einer Integration des digitalen Türzugangs von KIWI, um die Prozesse der Branche zu vereinfachen?

In unsere “Cockpits für Dienstleister und mobile Mitarbeiter” haben wir den KIWI Türzugang bereits integriert – damit können Handwerkern oder anderen Dienstleistungspartnern prozessgesteuert temporäre und Mitarbeitern von Wohnungsunternehmen permanente Gebäudezugänge gewährt werden.

Ein interessanter Anwendungsfall ist natürlich auch die Integration in unsere Mieter-App.

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