GdW-Geschäftsführerin Esser im KIWI-Interview: “Wir brauchen eine digitale Gebäude-Grundausstattung!”

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Ingeborg Esser (r.) im Gespräch mit Karsten Nölling

Nölling: Sie machen ja viel mit dem GdW. Sie haben zum Beispiel die DigiWoh als Initiatorin mitgegründet und sind auch im Projekt ForeSight aktiv. Das sind beides noch relativ junge Initiativen. Auch da ist das Motiv klar: Sie wollen das Thema Digitalisierung pushen. Wie ist hier der aktuelle Stand? Gibt es schon messbare Erfolge? Und was haben Sie noch auf der Agenda?

Esser: Ich bin wirklich stolz, dass wir unseren DigiWoh unter den aktuellen Bedingungen gegründet haben. Diese digitale Vereinsgründung haben wir ja im ersten Voll-Lockdown vorgenommen.

Das Thema beschäftigt uns schon mehrere Jahre. Wir haben gesagt, wir brauchen ein anbieterunabhängiges Kompetenzzentrum, das unsere Unternehmen in die Digitalisierung mitnimmt, das Angebote macht, eine Wissensplattform anbietet, das aber auch die Kollaboration der Unternehmen untereinander unterstützt. Und das auch ermöglicht, bestimmte Lösungen für die Branche zu entwickeln. Und das war mit Sicherheit ein ganz schöner Kraftakt und ich freue mich sehr, dass wir schon zum Gründungszeitpunkt ein großes Interesse der Mitgliedsunternehmen hatten – natürlich vor allem von den besonders digital Affinen, den Frontrunnern. Aber so soll’s ja auch sein. Und dass wir zwischenzeitlich unsere Mitgliederzahl gut verdreifacht haben, darüber freue ich mich auch.

Wir haben auch Fördermitglieder. Ich freue mich sehr, dass KIWI das erster Fördermitglied war, das wir aufgenommen haben. Wir wollen dort ja auch den Austausch mit den Anbietern von Lösungen vorantreiben.

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Nölling: Wie ist da der aktuelle Stand? Wie sieht es da konkret aus?

Esser: Momentan ist unsere Wissensplattform aufgestellt, ist programmiert, es laufen sehr, sehr viele Arbeitsgruppen und Workshops dort. Ich habe letztens auch selber mal wieder daran teilgenommen und muss sagen: Toll! Wirklich agil. Dort werden tolle Anforderungen für bestimmte Lösungen wie zum Beispiel die digitale Kundenansprache erarbeitet.

Wir wollen noch zwei zusätzliche Bereiche aufsetzen und zwar zum einen so etwas wie einen “PropTech Check”. Da wollen wir gucken, welche verschiedenen PropTechs es gibt. Was läuft schon? Was ist schon mal getestet worden, wo ist es eher eine Idee mit einem Foliensatz dahinter? Da ist es in der Ausprägung sehr unterschiedlich. Wir streben natürlich an, dass Piloten aufgesetzt werden.

Und der zweite Bereich ist ein Berater-Pool, den wir anbieten wollen. Hier sollen auch Feedbacks von Unternehmungen reinkommen, im Sinne von “Proofed by…”. Damit unsere Mitgliedsunternehmen sehen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Hilfe bei den Digitalisierungs-Prozessen brauchen.

Nölling: Wie sieht es mit dem Projekt ForeSight aus?

Esser: ForeSight ist ein Forschungsprojekt, das wir gemeinsam mit Partnern durchführen – “gesponsert” vom Bundeswirtschaftsministerium. Hier blicken wir schon ziemlich weit in die Zukunft. Für ForeSight haben wir vier Use Cases definiert, die bei uns regelmäßig vorkommen.

Ein Use Case ist der sichere Zugang zum Gebäude. Die anderen Use Cases sind Predictive Maintenance, Energieeffizienz und natürlich Sicherheit für die Mieter. Hier versuchen wir unter Einsatz von künstlicher Intelligenz weitere Mehrwerte zu schaffen, die aus einzelnen Produkten per se gar nicht herausholbar sind.

Da gibt es auch massive Anforderungen an das Thema Datensicherheit, gerade wenn man an die Sicherheitsanwendungen für die Mieter denkt. Die Datensicherheit spielt da eine ganz große Rolle. Und da freuen wir uns, dass ForeSight im Projekt GAIA-X des Bundeswirtschaftsministeriums, einer sicheren europäischen Cloud-Lösung, eine Rolle spielt.

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Nölling: Man kann also sagen: ForeSight ist das Langfristige, Große, fast schon Visionäre – “Wo kann’s hingehen” – und DigiWoh ist sehr konkret, praktisch, im Jetzt, auch mit einem Leitfaden. Im besten Fall: “Mit welchem Unternehmen hat wer schon welche Erfahrungen gemacht?”. Ist das richtig?

Esser: Ja, genau! Wobei wir aus ForeSight auch viele Anregungen und Hinweise bekommen, die wir dann tatsächlich auch an DigiWoh weitergeben und dort umsetzen können. Wir haben mit Future Living Berlin ja einen Projektpartner in ForeSight, über den wir, ich sage mal, 80 Wohnungen haben, die mit allem ausgestattet sind, was digital möglich ist. Wir haben hier also ein Testobjekt, einen praktischen Use Case, aus dem wir alle lernen wollen.

Nölling: Würden Sie sagen “Das sind die wichtigen Initiativen, vor allem DigiWoh!”? Die ist ja wirklich sehr spannend. Oder gibt es darüber hinaus noch etwas, entweder vom GdW oder auch von Ihnen persönlich, das Sie anschieben für eine schnellere Digitalisierung?

Esser: DigiWoh soll das alles koordinieren. Wir haben noch weitere Initiativen, da würde ich eine einmal herausgreifen, die in Zukunft massiv an Bedeutung gewinnen wird. Das ist das Projekt BaltBest. Das Projekt wird in im Sommer diesen Jahres abgeschlossen und untersucht das Effizienzthema im Gebäude – Heizungsanlage und Nutzerverhalten.

Was wir da herausziehen: Ohne eine intelligente, digitale Heizungssteuerung, regelmäßigen digitalen hydraulischen Abgleich, aber auch einer intelligenten Nutzerführung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen können. Und das muss man dann auch wieder in die einzelnen Initiativen einbringen.

Es gibt da ja noch die Initiative Wohnen.2050, eine Initiative, die auf einen klimaneutralen Gebäudebestand hinwirkt. Aber alles geht natürlich mit Digitalisierung einher.

Wir haben momentan ziemliche viele Fäden in der Hand. Und die führen dann alle irgendwo zu DigiWoh, wo wir die Kollaboration, den Austausch der Unternehmen ja eigentlich stattfinden lassen wollen.

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