Nölling: Wir haben beobachtet, dass es wichtig ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen weiter zu befähigen, also zu schulen und zu informieren. Da fühlen wir uns manchmal wie eine Speerspitze, die das Digitalisierungs-Knowhow einbringt. Anderen PropTechs geht es auch so, stellen wir fest. Es geht also nicht nur um das eigene Produkt – digitaler Zutritt, in unserem Fall – sondern auch darum, wie mit ganz anderen Lösungen gearbeitet wird.
Da kann man bestimmt viele Standard-Elemente einfließen lassen. Wenn man da z. B. an die EZB [Anm.: das Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft] mit ihren Schulungsmodulen denkt. Ein Beispiel: Wie errechne ich Einsparungen im Kontext Digitalisierung? Ich glaube, das ist absolut wichtig.
Esser: Ich will mal die andere Seite annehmen, weil wir ja häufig die kaufmännische Seite denken, aber auch die technische Seite: Was brauchen wir künftig für “Hausmeister”? Die müssen eine ganz andere Aus- und Weiterbildung haben, damit sie den digitalen Betrieb der Gebäude auch begleiten können. Beim technischen Gebäudemanagement haben wir einen massiven Bedarf.
Nölling: Anfang des Jahres gab es im Handelsblatt einen spannenden Artikel. “Reform statt Revolution: Die mühsame Digitalisierung der Immobilienbranche”, lautete die Überschrift. Wir haben das gelesen und konnten das erstmal mitfühlen. Gleichzeitig haben wir gedacht: Wir haben bereits eine Reform, wenn wir mal fünf Jahre zurückdenken. Das ist ja schonmal etwas. Ich glaube fest daran, dass wir in 10 Jahren über eine Revolution reden. Das ein zunehmendes Momentum immer schneller wird und das gerade jetzt Weichen gestellt werden. Sie haben schon ein paar Beispiel-Unternehmen genannt, die bereits dabei sind, und das wird immer weiter auseinandergehen.
Würden Sie auch sagen, dass die Branche 2030 eine Revolution erlebt haben wird oder sind wir noch in einer Reform?
Esser: Wir haben ja jetzt in der Pandemie gelernt, von exponentiellem Wachstum zu sprechen. Ich würde schon sagen, dass gerade dieser Drive in der Digitalisierung typisch dafür ist.
Wir hatten am Anfang das Beispiel mit dem Tanker. Wenn der Tanker erstmal Fahrt aufgenommen hat, dann ist der kaum noch zu bremsen. Also sehe ich bis 2030 schon eine Revolution und ich sehe sogar schon Visionen darüber hinaus.
Für mich ist die Vision, dass wir irgendwann autonome Gebäude haben, die sich autonom, effektiv bewirtschaften lassen. Zumindest was die technische Seite der Gebäude anbelangt, also das “Betriebssystem”.
Nölling: Zum Abschluss: Wieviele Türen werden wir 2030 in der Branche noch mit einem physischen Schlüssel aufmachen?
Esser: (Lacht) Da werden schon noch ein paar übriggeblieben sein. Wir stehen ja auch nicht für den gesamten Immobilienbestand, sondern nur für den kleinen Teil der professionell bewirtschafteten Immobilien. Aber ich würde schon sagen, dass der Weg ganz klar aufgezeichnet ist.
Die Frage ist dann tatsächlich, ob wir mit Transpondern die Türen öffnen, oder – wir sind mit unserem ForeSight-Projekt ja auch schon ein bisschen weiter – mit biometrischen Erkennungsmerkmalen. Also mit Gesichtserkennung, Fingerprint, usw. Und das ist ja auch kein Hexenwerk mehr. Wer heute ein Apple-Gerät hat, der weiß, dass das Standart ist. Warum sollte das nicht auch bei uns Standard werden?
Der Experte für Wohnungswirtschaft Karsten Nölling ist seit September 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung der KIWI.KI GmbH. Bereits seit Ende 2014 war er als Vertriebsleiter bei KIWI tätig und Mitglied des Executive Committees. Vor KIWI entwickelte er als Firmengründer einen digitalen Concierge Service für Hotels und war als Head of Operations für das Startup 9flats verantwortlich. Davor war Karsten Nölling Unternehmensberater bei McKinsey & Company und Projektleiter für Lean Manufacturing bei Mercedes-Benz. Sie finden ihn auf Twitter und LinkedIn.